Zu Lauterbachs Vorschlag zur Stärkung der Kinderkliniken: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut: Kinderklinik fordert gezielte Unterstützung für die spezialisierte Kindermedizin statt Gießkannenprinzip
Die Koalitionäre im Bundestag und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach haben früh erkannt, dass die Kinderkrankenhäuser in dem derzeitigen Finanzsystem nicht auskömmlich finanziert sind. Sie haben Abhilfe versprochen und sind daran, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Es ist erfreulich und lobenswert, dass für die Versorgung in den nächsten zwei Jahren zusätzlich 300 Mio. Euro bereitgestellt werden sollen. Unerfreulich und beklagenswert ist, dass der für die Finanzierung notwendige Gesetzentwurf den spezialisierten Kinderabteilungen und Kinderkliniken wenig bis nichts nützen wird. Statt zu fokussieren und die Gelder gezielt dort einzusetzen, wo die finanzielle Notlage am größten und die Versorgung am gefährdetsten ist, werden Mittel nach dem Gießkannenprinzip förmlich verschwendet und unter allen Krankenhäusern verteilt, in denen Kinder behandelt werden – unabhängig davon, ob das gerechtfertigt ist. Was gut gemeint ist, erweist sich alles andere als gut. Im Gegenteil. Wird der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form umgesetzt, hat das dramatische Auswirkungen für die Zukunft der Kinderabteilungen und Kinderkliniken.
Es macht einen großen Unterschied, ob 300 Mio. an 334 Kinderkliniken verteilt werden, in denen eine spezialisierte und bisweilen hochspezialisierte Kinderheilkunde geleistet wird und entsprechende Kenntnisse und Vorhalteleistungen zu finanzieren sind, oder an alle rund 1.800 Krankenhäuser in Deutschland, in denen Kinder größtenteils von Medizinern behandelt werden, die üblicherweise Erwachsene behandeln. Allgemeinchirurgen, Orthopäden, Hals-Nasen-Ohrenärzte oder Augenärzte zum Beispiel kümmern sich in Krankenhäusern ohne pädiatrische Fachabteilung auch um Kinder, ohne dass dort für eine spezialisierte Kindermedizin notwendigen Vorhaltekosten anfallen. Damit soll nichts gegen die Qualität ihrer Arbeit gesagt werden. Auch diese Mediziner leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Aber Tatsache ist, dass dort die auf Erwachsene ausgerichtete Infrastruktur zusätzlich durch die Behandlung von Kindern ausgelastet wird. Weshalb solche Krankenhäuser zusätzlich Geld erhalten, das spezifisch für die notleidende Kinder- und Jugendmedizin vorgesehen ist, ist weder nachvollziehbar noch zielführend.
Das Bundesgesundheitsministerium schickt sich mit seinem Gesetzentwurf an, zahlreichen Krankenhäusern zusätzlich Geld für etwas zu geben, das sie nicht leisten (Kinderheilkunde). Mit dem fatalen Effekt, dass den auf Pädiatrie spezialisierten Kinderkrankenhäuser und -kliniken (334 in ganz Deutschland) von den 300 Mio. am Ende viel zu wenig bleibt, um ihre finanzielle Not zu lindern bzw. um ihre Existenz langfristig zu sichern.
Das sind unerfreuliche Aussichten für Kinder mit Erkrankungen, die die Kapazität der Grundversorgung übersteigen – und für die Familien dieser Kinder. Sollte der vorliegende Gesetzentwurf umgesetzt werden, droht vielen der Kinderkliniken das Aus. Denn kein verantwortungsbewusster Träger kann es sich leisten, strukturelle Defizite, untern denen die Kinderkliniken seit längerem leiden, langfristig hinzunehmen.
Mit seinen Plänen verschlimmert das Bundesgesundheitsministerium, was es eigentlich verhindern will – dass die Qualität der medizinischen Versorgung abnimmt. Das dürfen wir nicht zulassen und fordern deshalb, dass die zusätzlichen Mittel allein den spezialisierten Kinderkrankenhäusern und Kinderabteilungen zur Verfügung gestellt werden, um insbesondere auch die spezialisierte ambulante Versorgung zu stärken. Denn rund 70 Prozent der behandelten Fälle in Kinderkrankenhäusern erfolgen ambulant. Aus einem einfachen Grund: Im Unterschied zur Erwachsenenmedizin arbeiten die auf spezifische Krankheiten spezialisierten Kinderärzte nicht als niedergelassene Fachärzte, sondern in den Kinderkrankenhäusern. Wir appellieren deshalb an den Bundesgesundheitsminister, die aktuelle Gesetzesvorlage nochmals zu überdenken und das vorhandene Geld klug, bedarfsgerecht und zielführend einzusetzen.